Mit seinen Forderungen nach Grenzschließungen hat sich der CDU-Spitzenkandidat Ingbert Liebing erneut als nördlichste Stimme in der Orbanisierung der deutschen Flüchtlingspolitik enttarnt. Dass dieser Mann, der 2017 schleswig-holsteinischer Ministerpräsident werden möchte, versucht seinen Bekanntheitsgrad auf dem Rücken der Geflüchteten zu verbessern, ist nicht nur unsympathisch, sondern auch brandgefährlich.
Die jüngsten Forderungen des sicherheitspolitischen Hardliners würden eine starke Mehrbelastung für die Bundespolizei bedeuten. Allein für die relativ kurze Grenze nach Dänemark wären wohl rund 700 Beamt*innen im Einsatz. Aber wofür? Artikel 9 der EU-Asylverfahrensrichtlinie besagt, dass Asylsuchende das Recht haben, an der Grenze einen Asylantrag zu stellen. Und solange ihr Antrag geprüft wird, dürfen sie in dem jeweiligen Land bleiben. Zudem muss jeder Antrag auf Schutz geprüft werden. Viel mehr, als die Menschen in Empfang nehmen und an die nächste zuständige Stelle weiterzuleiten, können also auch die Polizist*innen an der Grenze nicht tun.
Aber ganz abgesehen davon, dass die Forderungen wirkungslos sind, sind sie nur ein Teil im bunten Strauß der Schäbigkeiten, mit denen Liebing in den letzten Wochen mediale Aufmerksamkeit erregte. In einem Land, das seit einigen Jahren den besonderen Minderheitenschutz von Sinti und Roma in der Landesverfassung trägt, wünscht er sich Sonderabschiebelager für Balkan-Geflüchtete. Unter ihnen häufig Menschen, die fliehen, weil sie in ihren Herkunftsländern als Roma systematisch diskriminiert werden. Wenn es nach ihm ginge, würden auch die bürokratisch aufwändigen Sachleistungen zur „Anreizminimierung“ eingeführt werden. Und nicht zuletzt ist es natürlich die von Liebing geforderte Verabschiedungskultur, die ihm auch ein kurzes aufglimmen in der Bundespresse bescherte.
Wenn die Liebings und Seehofers dieser Republik Geflüchtete weiterhin als Bedrohung betrachten und Rechtsbruch als Notwehr verstehen, setzen sie sich mit denen an einen Stammtisch, die beinahe täglich glauben, die Konsequenzen eines vermeintlichen „Staatsversagens“ selbst in die Hand zu nehmen.
Wenn die christlichen Unionsparteien eine fünf Meter hohe Mauer errichtet, werden wir eben eine sechs Meter lange Leiter bauen!
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