Die Gebäude sind marode, die Arbeitsbedingungen prekär und das Betreuungsverhältnis befindet sich in maßloser Schieflage. Dass die Christian-Albrechts-Universität unterfinanziert ist, bezweifelt niemand. In der Analyse besteht Einigkeit, in den daraus abzuleitenden Konsequenzen nicht. Was erwartet uns?
Tatsächlich ist die Auflistung der Symptome, an denen wir die strukturelle Unterfinanzierung erkennen, einfacher, als das Finden von geeigneten Lösungen. Immerhin ist Schleswig-Holstein ein Konsolidierungsland. Jede finanzpolitische Handlung steht unter dem Argus Auge des Landesrechnungshofes, des Stabilitätsrates, des Bundes der Steuerzahler, der Medien und der Opposition.
Der Kuchen wird nicht größer!
Mit der Schuldenbremse wurde viel weniger ein Instrument der Generationengerechtigkeit geschaffen, als Sand ins Getriebe der Innovationsfähigkeit und Investitionsbereitschaft deutscher Finanzministerien geschüttet. Bildungsrendite wird damit vom sozial- und wirtschaftspolitischen Erfolgsmodell zur faden Erinnerung. Schulden wird das Land also kaum aufnehmen können, um die Situation der Hochschulen zu verbessern.
Woher kann das Geld dann kommen? Der Bund fällt als bildungspolitischer Sugardaddy leider ebenfalls aus. Mit der Föderalismusreform kam das Kooperationsverbot. Damit ist es dem Bund untersagt, die Hochschulen finanziell mitzutragen. Ausnahmen gibt es gewiss, etwa durch sogenannte Exzellenzcluster, wie sie die CAU beispielsweise im Bereich Ozean der Zukunft hat. Da ist es dann auch mal möglich Schnittchen und Wein nach der Vorlesung zu reichen. Ob das pervers ist? Schon ein wenig.
Also müssen die Hochschulen in Schleswig-Holstein scheinbar vom Land Schleswig-Holstein getragen werden. Sie wachsen beständig, die für sie zur Verfügung gestellten Haushaltstitel jedoch nicht. Kann man da nicht umschichten? So leicht ist es leider nicht. Auch bei „Rekordsteuereinnahmen“, die immerhin eine logische Begleiterscheinung eines auf steten Wachstum ausgelegten Wirtschaftssystems sind, bleibt das nördlichste Bundesland hoch verschuldet. Der Landeshaushalt gibt eine Umschichtung nicht her. Der Kuchen wird nicht größer.
Para para. Wie kommt das Land an Geld? Natürlich über nachhaltige Wirtschaftskonzepte. Da dafür nun nicht mehr die Zeit bleibt, bedarf es eines schnellen Eingriffs. Steuererhöhungen. Eine Forderung, die jeden Wahlkampf verhagelt, würde allerdings mehr Geld in die Staatskassen fließen lassen. Nun ist es aber so, dass nur wenige Steuern in den Landeshaushalt fließen. Etwa die Erbschaftssteuer. Eine Reform eben dieser wird immer wieder gefordert, kann allerdings nur auf Bundesebene durchgesetzt werden, während die Gelder jedoch dem Land zu Gute kommen.
Die einzige praktikable Möglichkeit wäre die Erhöhung der Grunderwerbssteuer. Also die, die fällig wird, wenn man sich ein Häusle zulegen möchte. Nun wurde die Grunderwerbssteuer in Schleswig-Holstein bereits vor nicht allzu langer Zeit auf einen bundesweiten Rekordstand gehoben. Interessenvertreter*innen aus Wirtschaft und auch viele Politiker*innen befürchten bei einer weiteren Erhöhung das Ausbleiben von wirtschaftlichen und privaten Niederlassungen im „Echten Norden“. Gleiche Bedenken gab es auch bei der letzten Erhöhung. Aktuelle Zahlen bestätigten sie nicht. Trotzdem gilt: Steuererhöhungen sind politisch und gesellschaftlich nicht gewollt.
Also was tun, was tun? Die Gebäude verfallen, die Studierendenzahlen wachsen und der Haushalt kann und will diese Entwicklung nicht auffangen.
Die Universität wird selber reagieren. Vier Szenarien:
1.) Die Einführung von flächendeckendem Numerus Clausus: Wie bereits Ende 2014 vom Präsidenten der CAU, Prof. Lutz Kipp, angekündigt, steht die Einführung von weiteren NCs im Raum. Dies stellt wohl noch die harmloseste aller Eskalationsstufen dar, wäre allerdings in ihrer Konsequenz für viele Lebensläufe fatal. Dass die Durchschnittsnote als Selektionskriterium für die Zulassung in viele Studiengänge dient, ist eher Willkür als rational nachvollziehbar. Immerhin weist meine Schulnote in Mathematik und Biologie recht schlecht auf meine potenziellen Fähigkeiten als Skandinavist*in oder Jurist*in hin. Die Aussagekraft einer Durchschnittsnote wird Talente abhalten, ihr Studium aufzunehmen.
2.) Schließungen: So naheliegend wie schmerzhaft. Wenn nicht genug Geld für alle Fachbereiche da ist, müssen einige gehen. Nur nach welchen Kriterien? Da die Wurzel des Problems die Finanzierung ist, wird auch hier auf die Kohle geschaut. Welcher Studiengang ist besonders teuer? Medizin. Oder welcher Studiengang ist so klein, dass er sich zu wenig rentiert? Orientalistik. Oder welcher Studiengang ist für wirtschaftliche Kooperationen eher unspektakulär? Alle Geisteswissenschaften. Durch Schließungen werden allerdings nicht nur Arbeitsplätze und Lebensgrundlagen zunichte gemacht, sondern auch Wissenschaftsbereiche systematisch ausgetrocknet.
3.) Studiengebühren: Warum nicht die zur Kasse bitten, die auch davon profitieren und die Probleme haben? Weil es scheiße ist! Bildung ist kein Privileg oder Gut, welches es zu kaufen gilt. Es gibt unzählige Argumente gegen Studiengebühren. Alle Bundesländer sind mit der Einführung von Studiengebühren gegen die Wand gefahren. Zwar stehen sie an der CAU nicht öffentlich zur Diskussion, weil sie zur Aufkündigung aller inneruniversitärer Beziehungen der Statusgruppen führen würden, aber hinter vorgehaltener Hand und unter vier Augen gibt es durchaus Stimmen im Universitätshochhaus, die wieder neoliberalen Traum des Bezahlstudiums an öffentlichen Hochschulen erzählen.
4.) Drittmittel: Ein Wort, dass im Studium kaum eine Rolle spielt. Sollte man sich jedoch für die Wissenschaft als Arbeitsplatz entscheiden, werden Drittmittel, also Gelder von außen, schnell zum akademischen und moralischen Kompass. Ein Großteil der Beschäftigten einer Universität sind durch Drittmittel finanziert. Von wem die Projekte beauftragt wurden und für wie lange an was geforscht wird, ist dabei nicht öffentlich einsehbar. Wer sich den Haushalt einer Hochschule genauer anguckt, fragt sich schnell, warum wir eigentlich noch vor dem Landtag demonstrieren und nicht schon längst vor Unternehmerverbänden. Die Hochschulen bundesweit, und damit auch die CAU, befinden sich in einer zunehmenden Drittmittelabhängigkeit. Und diese Dominanz der Dineros aus der Wirtschaft wächst. Exponentiell.
Am Ende dieser Darstellung möglicher Konsequenzen angelangt, bleibt eigentlich nur noch eine Frage: Was für eine Universität wollen wir?
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