Zwei Tage der Debatte. Am vergangenen Wochenende fand unser Landesparteitag in Bad Bramstedt statt. Im Kern des Parteitages war mal wieder der ganze Name unserer Partei: Bündnis 90/Die Grünen. Neben Ökologie, lag der Fokus auf bürger*innenrechtliche Bündnisse und Bewegungen. Dazu lag uns eine weite Bandbreite von Anträgen vor.
In den vergangenen Jahren hat sich die rechte Szene immer wieder bemüht, von sich selbst ein Bild der Protestbewegung auf der Straße zu zeichnen. Fridays for future, Seenotrettung, Artikel 13, #wirsindmehr und viele weitere Bewegungen bringen mittlerweile allerdings wieder ein deutlich größeres Gegenewicht einer solidarischen Forderung auf die Straße.
Wir Grünen sahen uns immer und sehen uns auch heute als Bewegungspartei. Unser Auftrag ist es, solidarische Initativen und Forderungen von der Straße in die Parlamente zu tragen.
Sicherheit geht nicht ohne Freiheit
Ob in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Bayern: In vielen Bundesländern regte sich breiter Widerstand gegen neue Polizeigesetze. Auch in Schleswig-Holstein wird es eine Überarbeitung des Polizeigesetzes geben müssen. Unser Ansatz ist allerdings, nicht den Law&Order Fantasien der CSU zu folgen, sondern die Forderungen der Proteste in die Verhandlungen zu tragen. Deswegen war dieses Thema auch einer der Schwerpunkte auf unserem Parteitag.
Den Auftakt zum Block Inneres und Sicherheit machte Polizeiexpertin Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen aus Bayern. Dort hatten die Grünen ja bekanntlich bei der Landtagswahl Ende letzten Jahres einen Erdrutschsieg eingefahren und dies auch unter anderem auf Basis des Widerstandes gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz, welches präventive Haft ohne Hinweise auf eine konkrete Gefahr, erweiterte DNA Fahndungen und vieles mehr vorsah. In einem Antrag für eine GRÜNE Polizeipolitik haben wir einige Grenzen gezogen, was mit uns nicht zu machen ist. Klar wurde in jedem Fall: Freibriefe für Sicherheitsbehörden wir in Bayern, NRW oder Niedersachsen wird es in Schleswig-Holstein nicht geben. Dies machte auch parallel die FDP auf ihrem Parteitag klar.
Der dritte Antrag zu dem Thema war ein von mir eingebrachter 11-Punkte-Plan gegen Rechts. Der Kampf gegen die rechte Bewegung ist eine gesamtgesellschaftliches Aufgabe im Spagat von Prävention und Opferschutz auf der einen Seite und der klaren Strukturbekämpfung menschenfeindlicher Ideologien auf der anderen Seite werden wir rechte Kräfte wieder zum Schrumpfen bekommen.
Seenotrettung stärken
Zehntausende sind in den letzten Monaten für sichere Häfen, legale Fluchtwege und eine humanitäre Seenotrettung auf die Straße gegangen. Ein Höhepunkt des Parteitages war mit Sicherheit die Rede des Seenotretters von Sea Watch, Ruben Neugebauer. Menschen, die in Seenot geraten sind zu retten. Das kann eigentlich keine politische Frage sein; es ist vielmehr eine Frage der Menschlichkeit. In dieser Frage ist mir die Zielstrebigkeit und Unnachgiebigkeit meiner Partei besonders wichtig, die sich nicht von den Populist*innen einschüchtern lässt. Wir haben Mythen über “Pullfaktoren” eine klare Absage erteilt und wissen zahlreiche Studien auf unserer Seite. Wir stehen hinter der zivilen Seenotrettung und wir sind Teil und Partner der Seebrücke. Von unserer Bundestagsabgeordneten aus Kiel, Luise Amtsberg, folgte ein sehr ausführlicher und klarer Antrag zu dieser Thematik, welcher eine einstimmige Mehrheit fand. Besonders gegenwärtig wurde das Thema allerdings, als uns aktuelle Nachrichten zum in Seenot geratenen Kreuzfahrtschiff Viking Sky erreichten. Innerhalb von Stunden gab es eine internationale Aufmerksamkeit, zahlreiche Rettungsschiffe erreichten das Kreuzfahrtschiff und Passagier*innen wurden via Hubschraubern in Sicherheit gebracht. All diese Maßnahmen sind notwendig und richtig. Allerdings nicht nur an der norwegischen Küste, sondern auch im Mittelmeer!
Uploadfilter stoppen
Ein wichtiges Thema des Parteitags war spätestens währenddessen zur Bewegung geworden: Hunderttausende Menschen in ganz Europa gingen am Samstag gegen die von den europäischen Konservativen angestoßene Urheberrechtsreform auf die Straße. Unser Kandidat zur Europawahl, Rasmus Andresen, brachte es auf den Punkt: “Unverhältnismäßige Instrumente wie Uploadfilter oder das längst gescheiterte Leistungsschutzrecht für Presseverlage werden nicht funktionieren.” Wir versuchen auch unsere Stimme aus Schleswig-Holstein im Sinne der Bewegung Save Your Internet zu erheben und die Abstimmung noch in ihrem Sinne ausfallen zu lassen.
Eine Generation für den Klima- und den Tierschutz
Momentan sind Grüne Parteitage wie selbstverständlich von der Bewegung “Fridays for Future” dominiert. Bei der letzten Großdemonstration am 15.3. mobilisierten die Schüler*innen alleine in Kiel 7.000, deutschlandweit 300.000 und global knapp 2 Millionen Menschen für den Klimaschutz. Es ist die richtige Bewegung zur richtigen Zeit. Wir haben jetzt noch knapp 11 Jahre um den Klimaschutz politisch umzusetzen und wir als Grüne sind die einzigen, die dies mit dem notwendigen Druck in die Politik tragen können. Dementsprechend drückte es Jakob Blasel, einer der bundesweiten Organisator*innen von Fridays for Future aus: “Ich habe Angst, dass jetzt in diesem Moment der Scheidepunkt ist und wir ihn verpassen. Der Punkt, an dem sich entscheidet, ob wir den Mut haben, die Klimakrise zu stoppen oder ob die Geschichte, meine Geschichte, unsere Menschheitsgeschichte, einer Politik der Resignation und Kurzfristigkeit folgt.” Dass die Grünen den Forderungen eine natürliche Zugewandheit hätten, sei ja klar. Man dürfe nur die Notwendigkeit dieser Inhalte nicht in Koalitionsgesprächen außer acht lassen.
Dementsprechend konkret wurde auch ein Antrag zu dem Thema, der ein verschärftes Emissionsbudget und ein entschlosseneres Vorgehen bei der Wärmewende vorsah. Weiterhin haben wir beschlossen, dass Klimaschutz ein Teil der Verfassung werden soll: Kein leichtes Unterfangen, jedoch notwendig, um dem Thema die juristische Relevanz zu geben, die es in der Realität faktisch schon hat. In der Jamaika-Koalition werden wir für diese Forderung allerdings kaum eine Mehrheit finden. Weiter ging es mit dem Retten von Bienen und dem Schutz des Wolfs, der Begrenzung des Flächenverbrauchs und der Lagerung von Sondermüll. In den vorher behandelten Mobilitäts- und Energieteilen waren ebenfalls schon viele Beschlüsse hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft gemacht worden. Das Zeichen ist klar: Wir Grünen wollen unsere Hausaufgaben machen. Es steht zu viel auf dem Spiel, als dass wir scheitern dürfen.
Gemeinnützigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen bewahren
Für mich persönlich war es auch noch einmal besonders wichtig, ein Zeichen für die Zivilgesellschaft zu setzen. Daher gab es einen Antrag von mir, die Rechtslage entsprechend zu ändern, sodass zivilgesellschaftliche Organisationen wie Attac oder Campact auch künftig als gemeinnützig gelten können. Diese Organisationen haben schließlich auch für die Parteien eine große Relevanz. Sie bringen gesellschaftliche Missverhältnisse und Probleme immer wieder in die Debatte und letztendlich auf die Straße. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit kann für diese Organisation das finanzielle Ausbluten bedeuten. Auf der anderen Seite steht zudem, dass Vereine wie die Gesellschaft für Wehrtechnik – ein von der Rüstungsindustrie unterstützter Lobbyverein – oder der DFB bisher keine Probleme mit der Gemeinnützigkeit hatten. Dieses Ungleichgewicht gilt es wieder einzufangen.
Die Vielfalt der Anträge
Die Flut der Anträge an diesem Parteitag war enorm, aber es war wichtig, über viele der angesprochenen Themen zu sprechen. So ein Artikel kann die Vielfalt der Themen, die wir in diesen zwei Tagen abgehandelt hatten, gar nicht abdecken. Was ich von dem Parteitag mitnehmen kann, ist der Eindruck, dass wir eine lebendige und streitlustige Partei sind. Eine Partei, die für die Dinge, die wirklich wichtig sind, ohne Angst vor Stimmenverlusten den Rücken gerade macht. Eine Partei, die auf der Straße steht, wenn Freiheits- und Menschenrechte, die Umwelt oder die Gleichstellung gefährdet sind. Und diesen Kern müssen wir erhalten, in Bewegung zwischen Protest, Koalition und Regierung.
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