Es ist die Seite 49 des Koalitionsvertrages von SPD, Grüne und SSW in Schleswig-Holstein, die gerne in Vergessenheit gerät. Im ersten Satz bekennen sich dort die Urheber*innen zu einer „modernen, effektiven Sucht- und Drogenpolitik“. Doch bislang wurde die Küstenkoalition diesem Anspruch nicht gerecht.
Jeder Koalitionsvertrag ist immer auch ein Zeugnis der Zeit, in der er verfasst wurde. Häufig hinterlässt die aktuelle politische Diskussion deutliche Spuren. Dass 2012 erstmals die Piraten auf einer medialen Welle in den Schleswig-Holsteinischen Landtag geschwemmt wurden, hinterließ auch im Koalitionsvertrag eine progressive netzpolitische Note. Etwa die wasserdichte, rigorose Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung. Heute sind es die jungen Regierungen, die auch eine liberale Drogenpolitik auf ihre Agenda schreiben. In Bremen denkt man über Modelle nach, legale Konsummöglichkeiten zu schaffen. In Hamburg steht zur Diskussion, den Cannabiskonsum künftig als Ordnungswidrigkeit zu bewerten. Das riecht nach dem leicht süßlichen Duft vom Ende der Prohibition.
Zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl 2017 ist der Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein in weiten Teilen abgearbeitet. Kaum Bewegung ergab sich allerdings auf Seite 49. Es gibt keine Drug-Checking-Labore, durch die Konsument*innen über den tatsächlichen Inhalt ihrer Drogen aufgeklärt werden. Auch eine Anhebung der geringen Menge, bei der Cannabis-Funde in der Regel straffrei bleiben, ist vom Tisch. Zwar wurden beide Ideen in einem Rutsch kurz zu Beginn der Legislatur abgefrühstückt, aber seit dem ruht das Thema.
Bis heute wurde keiner der unter der Überschrift „Drogenpolitik & Nichtraucherschutz“ aufgeführten Ankündigungen ernsthaft verfolgt. Seite 49 taugt gerade noch zum Basteln von Tips und ihre Forderungen wirken in Anbetracht der aktuellen Diskussion merkwürdig antiquiert. Wenn die angekündigten Maßnahmen scheinbar nicht durchsetzbar waren, muss die Intention allerdings weiterhin verpflichten. Denn neben dem Anspruch der „modernen, effektiven Sucht- und Drogenpolitik“ wolle man auch Drogenkonsument*innen vor der Kriminalisierung schützen. Hier kann sich die Landesregierung in die aktuelle bundesweite Debatte einbringen. Sie könnte es den Bremer Ankündigung gleichtun, und eine Anfrage an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erwägen. Ungeachtet der Erfolgschance, ließe sich so wenigstens der Bedarf nach legalen Abgabestellen für Cannabisprodukte darstellen. Zudem ist es wichtig, Drogenpolitik nicht nur im Ressort der Sozialministerin zu diskutieren. Viel mehr stehen Justizministerin Spoorendonk und Innenminister Studt in der Pflicht, ihren Anteil zu leisten. Forderungen der Legalisierung von Professor*innen des Strafrechts und von Polizist*innen dürfen nicht verhallen, sondern sind Arbeitsaufträge an die zuständigen Ministerien.
Die Küstenkoalition hat eine moderne Drogenpolitik angekündigt, sie allerdings nicht geliefert. Deswegen ist es wichtig, die Regierung wenigstens an die Intention der Seite 49 zu erinnern. Wir brauchen eine moderne Drogenpolitik, die Präventions- und Hilfsangebote, sowie ein Recht auf Rausch unter einen Hut bekommt. Denn das Gefährlichste am Kiffen ist immer noch die Strafverfolgung.
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