Glückslokal

Ist ein anderes Wirtschaften und ein anderes Miteinander möglich? Gibt es eine Alternative zu Fast Fashion, Ausbeutung und dem Hinterherlaufen von Trends? Eine Antwort gibt das Glückslokal in der Alten Mu.
Neulich habe ich gemeinsam mit meiner Mitarbeiterin Mirjam das Glückslokal besucht. Die Sharing-Community ist in der Alten Mu in Kiel angesiedelt und darf dieses Jahr ihr fünfjähriges Bestehen feiern. Als Ausgründung der Projektinitiative Yoowedoo – Die Zukunftsmacher hat sie sich mittlerweile sehr schön in zwei hellen Räumen der Alten Mu eingerichtet. Gegen einen monatlichen Beitrag von 5,00 € haben Vereinsmitglieder die Möglichkeit, bei jedem Besuch drei Artikel aus dem riesigen Secondhand-Angebot auszusuchen. Dieses besteht zu einem großen Teil aus Kleidung und Schuhen (sowohl für Frauen, Männer als auch für Kinder), daneben gibt es aber auch jede Menge an Haushaltsartikeln, Büro- und Bastelbedarf, Geschirr, Bücher, DVDs, CDs, Dekoartikeln und Kinderspielzeug. Und egal ob Vereinsmitglied oder nicht: aussortierte, saubere und heile Schätze werden zu den Öffnungszeiten immer gerne angenommen.

Bei unserem Besuch führten uns die beiden Geschäftsführerinnen Sarah und Nina sowie ihre Teamkollegin Bettina durch die Räume und erzählten von der Entstehung und Weiterentwicklung des Glückslokals, dem bevorstehenden Umbau, der Zukunft der Alten Mu sowie von den kleineren und größeren Herausforderungen, mit denen sie tagtäglich konfrontiert werden.

Das Schöne am Glückslokal ist vor allem der Gedanke, der hinter all der Ware aus zweiter Hand steckt: ein Bewusstsein für kritischen Konsum zu entwickeln, das nicht auf der*dem Einzelnen lastet, sondern gemeinschaftlich entwickelt wird.
Die heutige Modeindustrie und ihr Konsum sind in vielerlei Hinsicht problematisch. Aus einer repräsentativen Umfrage von Greenpeace wird ersichtlich, dass nahezu jedes fünfte Kleidungsstück gekauft, aber dann gar nicht getragen wird. Das ergibt in der Summe über eine Milliarde überflüssige Kleidungsstücke, ein Fünftel der Gesamtmenge – und wir sprechen hier nur von Deutschland. Im Jahr werden durchschnittlich eine Millionen Tonnen Textilien zur Altkleidersammlung gebracht, während pro Person im Monat rund 60 neue Kleidungsstücke gekauft werden. Kleidung verkommt immer mehr zur Wegwerfware. Das sind enorme Zahlen, die noch schwerer zu ertragen sind, wenn man sich die Herstellungsbedingungen ansieht.
Für die Produktion eines einzelnen T-Shirts werden rund 15.000 Liter Wasser benötigt und ca. 20.000 km Transportstrecke zurückgelegt, bis es bei uns im Geschäft ankommt. 70 Prozent der Klamotten wird heutzutage aus Plastik hergestellt, vornehmlich aus Polyester, wodurch Kleidung schwer recyclebar wird, wenn dieser Kunststoff mit Naturmaterialien vermischt wurde. Neben den gravierenden Folgen für die Umwelt führen die derzeitigen Umstände in der Modeindustrie zu schlimmen Arbeitsbedingungen für die Näher*innen. Ein unterirdisch geringer Lohn von lediglich 18 Cent pro genähtes T-Shirt, Kontakt mit gesundheitsgefährdenden Chemikalien sowie stickige und dunkle Fabrikgebäude, die häufig marode und einsturzgefährdet sind, zeichnen den Alltag der Arbeiter*innen aus.
Auch beim Glückslokal macht sich der folgenschwere Kleidungsdurchlauf bemerkbar. So werden Sarah, Nina und ihr Team regelmäßig geradezu mit abgegebener Kleidung und Co überhäuft. Zwar können sie mit ihrem Konzept die massive Textilienproduktion nicht verhindern, aber zumindest können Glückslokalist*innen dazu beitragen, den Kleidungsdurchlauf ein Stückchen zu verringern, indem Sachen getauscht und verschenkt und damit ein blinder Konsum vermieden und Ressourcenschonung gefördert werden.
Eine nachhaltige Lebensweise macht vor allem dann Spaß, wenn Menschen zusammenkommen und sich über den Kreislauf von Konsumgütern austauschen und ihn zusammen praktizieren können. Gerade im Bereich der Mode, die geprägt ist von Kurzlebigkeit aufgrund ständig wechselnder Trends und oftmals schlechten Herstellungsbedingungen für die Näher*innen, ist das Konzept, wie es das Glückslokal anbietet, sehr sinnvoll. Noch sind Tauschen, Leihen und Secondhand zu wenig verbreitet, aber im Kommen. Dabei sind sie einfache Alternativen, die leicht in den Alltag integriert werden könnten. Es besteht jedoch Hoffnung auf einen Anstieg, da vor allem bei jüngeren Menschen Kleidertausch beliebter zu werden scheint. Letztendlich müssen jedoch die großen Textilfirmen zu mehr Nachhaltigkeit im Herstellungsprozess gebracht werden, um die Schwierigkeiten, die durch die derzeitige Modeindustrie entstehen, beheben zu können. Langlebigere Kleidung und eine saubere Herstellung. Dafür braucht es gesetzlich verpflichtende Sozial- und Umweltstandards sowie entsprechende Siegel, die den Kauf nachhaltiger Kleidung für die Konsument*innen erleichtern.
Gemeinsam mit dem Glückslokal plane ich eine Veranstaltung zum Thema Nachhaltiger Kleidungskonsum und der Frage, inwiefern jeder Mensch, unabhängig von seinem Einkommen, Kleidung nachhaltig konsumieren kann. Weitere Infos erhaltet ihr rechtzeitig!
Verwendete Quellen:
https://www.dw.com/de/der-altkleider-wahnsinn-mit-spenden-schlechtes-tun/a-46450796
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