Heute stellen die Landtagsfraktionen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen ein gemeinsames 10-Punkte-Papier mit Schlussfolgerungen nach dem tödlichen Angriff im RE70 vor.
Dazu sagen die Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion, Birte Glißmann, und der Vorsitzende der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Lasse Petersdotter:
„Wir sind noch immer bestürzt über den brutalen Angriff im Regionalexpress am 25. Januar 2023. Unsere Gedanken sind bei den Hinterbliebenen der Getöteten, bei den Verletzten und Betroffenen. Wir wünschen ihnen eine schnelle und vollständige Genesung. Unser großer Dank gilt allen haupt- und ehrenamtlichen Einsatzkräften, sowie den Helfenden vor Ort und bei der Betreuung von Opfern und Betroffenen.
Der Angriff hat aufgezeigt, dass es Handlungsfelder gibt, die auf allen politischen Ebenen aufgearbeitet werden müssen. Insbesondere, um das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken.“
Folgende Schlussfolgerungen haben die Fraktionen identifiziert:
1. Sicherheit im ÖPNV
Eine Stärkung des DB-Sicherheitspersonals, der Bundespolizei sowie eine Ausweitung der Videoüberwachung in Zügen erleichtern in der Regel die Identifizierung von Täterinnen und Tätern und die Aufklärung von Straftaten und haben auch eine präventive Wirkung.
Uniformierte Polizeikräfte fahren kostenlos mit der Bahn. Diese Regelung soll auf Polizistinnen und Polizisten in Zivil mit Dienstwaffe ausgeweitet werden, sofern sie sich vor Fahrtantritt beim Zugpersonal anmelden und als Polizei erkennbar sind.
Waffenverbotszonen können einen Beitrag dazu leisten, das Sicherheitsgefühl der Menschen zu stärken. Die Einrichtung von Waffenverbotszonen im Bereich der Bahnhofsvorplätze durch die jeweiligen Kommunen unterstützten wir und werden landesrechtliche Änderungen vornehmen, um ihre Einrichtung zu erleichtern. Daneben prüfen wir ein landesweit geltendes Waffenverbot im Bahnhofsumfeld.
2. Gewaltprävention
Prävention ist der beste Schutz vor Gewalt, auch wenn sich dadurch nicht jede Straftat verhindern lässt. Wir brauchen gute Angebote für eine bessere Gewaltprävention. Geeignete Projekte müssen wir weiter stärken und niedrigschwellig zugänglich machen. Auch Gewaltambulanzen und eine gute (sozial)psychiatrische und psychologische Versorgung in der Fläche sind notwendig. Unser Ziel ist daher die Einrichtung von Gewaltambulanzen nach Bayrischem Vorbild. Dazu gehören auch Angebote im Bereich der Jugendarbeit und der Gewaltprävention für junge Männer. Gleichzeitig investieren wir in ein Maßnahmenpaket für Jugendliche und stärken Antigewalt-Trainings in der Jugendarbeit, auch um Männlichkeitsbilder, die in Gewalttaten eskalieren kann, zu adressieren.
3. Informationszugriff zwischen den Behörden gewährleistet Sicherheit
Der Zugriff auf Daten zwischen allen relevanten Behörden wie Justizvollzug, Justiz, Polizei und Kommunen und deren Gesundheits-, Sozial- oder Ausländerbehörden muss in der Praxis gut funktionieren und gewährleistet sein, insbesondere wenn mehrere Bundesländer involviert sind. Für die Auswertung der Daten müssen die Behörden personell und strukturell gut aufgestellt sein. Wir prüfen, wie wir Speicherfristen, Definitionen und Differenzierung von Mehrfach- und Intensivtäter und -täterinnen sowie Erhebungs- und Übermittlungsvorschriften bundesweit vereinheitlicht werden können.
4. Beschleunigungsmöglichkeiten in Strafverfahren nutzen
Strafverfahren, insbesondere Haftsachen, müssen weiter beschleunigt und Beschleunigungsmöglichkeiten genutzt werden. Daher braucht es eine noch bessere personelle Ausstattung von Staatsanwaltschaften und Gerichten.
5. Überprüfung der Straftaten, die mithilfe von Messern begangen wurden
Messer sind leicht zu beschaffen und ihr Einsatz birgt ein außerordentliches Verletzungspotential. Deshalb bedarf es einer erneuten Überprüfung der Strafvorschriften, bei denen die Taten mithilfe von Messern begangen wurden.
6. Umgang mit Straftäterinnen und Straftätern ohne festen Wohnsitz
Die Entlassung aus der Haft in die Wohnungslosigkeit ist ein großes Problem für die Betroffenen und die Gesellschaft gleichermaßen. Es kann nicht sein, dass die staatliche Verantwortung an der Haftmauer mit Haftende aufgegeben wird. Hierfür wollen wir eng mit den Wohlfahrtsverbänden im Lande zusammenarbeiten und den weiteren Wohnraumerwerb durch unsere Landesstiftung Straffälligenhilfe ermöglichen. Das Wohnungsbauförderprogramm des Landes für besondere Bedarfsgruppen soll hierbei nutzbar gemacht werden. Den Ausbau von Übergangseinrichtungen bei freien Trägern werden wir stärker als bisher fördern. Die Schaffung landeseigener Übergangseinrichtungen werden wir prüfen.
Die Tatsache, dass jemand ohne festen Wohnsitz ist, darf den Vollzug geltenden Rechts nicht verzögern oder behindern. Verfahren dürfen nicht am fehlenden Wohnsitz scheitern!
7. Übergangsmanagement bei (U-)Haft-Entlassungen und psychiatrische Versorgung verbessern
Das in der letzten Legislatur beschlossene Resozialisierungsgesetz soll die Resozialisierung verbessern und gilt auch für Entlassungen aus der Untersuchungshaft. Jetzt gilt es, das Gesetz entsprechend zu hinterlegen und weiter in Personal und Ressourcen zu investieren, damit das Gesetz auch in der Umsetzung eine stärkere Wirkung entfalten kann. Die Angebote müssen dringend verbessert werden, denn der Bedarf wächst. Immer mehr Inhaftierte zeigen psychische Auffälligkeiten. Individuelle Betreuung kostet Zeit. Bewährungshilfe und Eingliederungshilfe müssen ausreichend Ressourcen haben, um die Fälle sorgfältig zu begleiten. Die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern im Entlassungsmanagement wollen wir intensivieren. Das gilt ausdrücklich auch bei der Aufhebung von längeren Untersuchungshaftbefehlen.
Die Begutachtung von Beschuldigten und Verurteilten ist ein wichtiger Bestandteil im Straf- und Strafvollstreckungsverfahren. Immer häufiger weisen Beschuldigte und Verurteilte psychische Störungen auf. Dem steht nach forensischer Erfahrung ein Mangel an psychiatrischen Gutachterinnen und Gutachtern und eine gute psychiatrische Versorgung im Justizvollzug und nach Entlassung gegenüber. Wir prüfen, wie wir diesem Mangel Abhilfe schaffen und Nachwuchs gewinnen können. Die Schaffung eines unabhängigen Kompetenzzentrums für forensische Begutachtung und die Anwerbung ausländischer psychiatrischer Fachkräfte ist zu prüfen.
8. Opferschutzangebote weiter ausbauen.
Die Opferschutzbeauftragte und das Team der Zentralen Anlaufstelle für Opfer von Straftaten und deren Angehörige im Justizministerium, aber auch andere Hilfsangebote und Ehrenamtliche haben im Fall Brokstedt unmittelbar und vorbildlich gehandelt und unverzüglich Angebote gemacht. Nun geht es darum, die Erfahrungen auszuwerten und den Opferschutz personell und finanziell zu stärken damit Opfer und andere Betroffene in jeder Hinsicht bestmöglich unterstützt werden.
9. Behördliche Prozesse beschleunigen
Der Fall des Beschuldigten von Brokstedt zeigt, dass die Prozesse im Austausch mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu lange dauern. Strafrechtliche Verurteilungen sowie Inhaftnahmen sowie Ermittlungsverfahren müssen umgehend dem BAMF und Ausländerbehörden gemeldet werden, damit diese den Aufenthaltsstatus überprüfen und ggf. ein Widerrufsverfahren einleiten kann. Die Überprüfung durch das BAMF muss unverzüglich erfolgen können. Wir fordern den Bund auf, zu gewährleisten die Verfahren entsprechend zu beschleunigen. Dafür braucht es eine bundesweit einheitliche Definition des bisher unbestimmten Rechtsbegriffs der schwerwiegenden Straftat als Entscheidungsgrundlage. Ziel muss es sein, die Aberkennung des Aufenthaltsstatus bei schwerwiegenden Straftaten vorzunehmen und die Ausweisung der Straftäterinnen und Straftäter vollziehen zu können.
10. Abschiebungen von Straftäterinnen und Straftätern
Die Rückführung von Täterinnen und Tätern schwerwiegender Straftaten hat entsprechend der rechtlichen Vorgaben konsequent und zügig zu erfolgen. Dabei darf auch die Staatenlosigkeit kein Hindernis sein. Hierfür fordern wir den Bund auf, entsprechende Abkommen zu vereinbaren, damit Abschiebungen erfolgen können.
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