Im 21. Jahrhundert ist Hetze im Internet ein gesamtgesellschaftliches Problem. Auf Twitter und Facebook scheinen die Hemmungen zu fallen und immer häufiger bahnt sich blanker Hass in die Kommentarspalten der eigentlich sozialen Medien.
Vor diesem Hintergrund schlägt Ralf Stegner nun vor, künftig im Internet unter Klarnamen zu agieren. Wer in einer Demokratie wie Deutschland lebe, sei auf Anonymität nicht angewiesen und bräuchte auch bei rhetorischen Entgleisungen keine Repression zu fürchten.
Die Diskussion ist alt und nicht gerade ein innovativer Vorschlag des SPD-Landesvorsitzenden aus Schleswig-Holstein. Häufig wurde diese Sau durchs mediale Dorf getrieben. Von Meinungsmacher*innen, Innenministern und der sonstigen Law and Order Avantgarde.
Stegners Vorschlag kann nur als gesellschaftlicher Debattenvorschlag verstanden werden. Als politische Forderung ist er unseriös und lächerlich. Die technischen Voraussetzung für die Umsetzung wären extrem aufwendig und dabei doch wirkungslos. Für pikante Äußerungen wären die einzurichtenden Verifizierungen und Sperren leicht zu umgehen, wie es schon andere Sperrversuche im Netz bewiesen haben. Denkbar wäre auch die Verifizierung der Identität direkt beim Internetzugriff. Eine Maßnahme, die nichtmal die skrupellosesten Polizeistaaten bislang realisieren konnten. Und auch dann ist es nicht sicher, wer tatsächlich an dem Gerät gerade schreibt¹.
Ein Gesetz für eine Pflicht zum Klarnamen im Internet würde unweigerlich mit einem absolutistischen Überwachungsstaat einhergehen. Das einzige erreichbare Ziel wäre eine gefühlte Sicherheit, die von der tatsächlichen auch hier meilenweit entfernt ist.
Letztlich kann Stegners Forderung nur als ein Aufruf an die Gesellschaft sein, dass es doch edel und schick wäre, auch online mit Vor- und Nachname zu arbeiten. Das ist es allerdings nicht. Auch wenn die Grenzen verschwimmen, ist das Internet immer noch ein eigener Raum und nicht die Welt da draußen. Nicht zuletzt, weil online jeder Tastenschlag und jeder Klick überwacht und verwertet wird. Die Mär vom rechtsfreien Raum ist zur Genüge erzählt und widerlegt.
Wir brauchen trotzdem die Möglichkeit, sich wenigstens halbwegs anonym zu fühlen und es auch in Teilen zu sein. Denn zumindest sind weite Teile unserer anonym gestellten Fragen so irrelevant, dass wenigstens keine unmittelbaren Konsequenzen für unser Leben in der analogen Gesellschaft zu befürchten sind. Soll heißen: Wenn ich in einem Forum nach Pflegetips für Intimpiercings frage, ist das kein Inhalt den gleich jede*r finden muss, der*die meinen Namen bei Google eingibt. Gleiches gilt für meine ersten Gehversuche im künstlerischen Terrain. Das Internet war immer auch ein Raum der risikoarmen Versuche.
Und zu Hasskommentaren auf Facebook: Diese geschehen mittlerweile in beängstigender Anzahl auch unter Klarnamen. Die Menschen, die allerdings unter Pseudonym hetzen, lassen sich auch auf keinen Ehrenkodex ein. Und selbst wenn sie sich durch die Verpflichtung zum Klarnamen (die es laut AGB bei Facebook ja ohnehin gibt) vom Hetzen abhielten, bleibt das Weltbild weiterhin in den Köpfen. Ganz analog. Verschwinden tut es so nicht.
—
¹Dass diese Umstände so stark an die Diskussion an die Störerhaftung erinnert, bleibt an dieser Stelle unkommentiert im Raum stehen.
Schreibe einen Kommentar