Diese Rede habe ich am 30. Januar 2016 auf dem Kleinen Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein gehalten, als ich eine Resolution gegen rechte Gewalt eingereicht habe:
Als der Tagesspiegel-Kolumnist Helmut Schümann in Berlin auf der Straße von Rechten niedergeschlagen und als „linke Dreckssau“ beschimpft wurde, erschienen Artikel über diesen Vorfall zunächst unter der Kategorie „Flüchtlingskrise“. Schümann hatte sich wiederholt im Tagesspiegel gegen den flüchtlingspolitischen Kurs von AfD, Seehofer und PEGIDA ausgesprochen.
Das was da am helllichten Tag in Berlin Charlottenburg passierte, geschah nicht unter dem Vorzeichen einer „Flüchtlingskrise“, es war ein Ausdruck einer „Nazikrise“!
Und wir stecken mitten in dieser Nazi-Krise! Letztes Jahr erfolgten täglich drei Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte. Jeden vierten Tag brannte eine Unterkunft.
Im Internet verfolgen wir die Eskalationsspirale des Hasses im Sekundenticker. Konstnatin und Jörn zeigen eindrucksvoll, wie man diesem Schund mit dem Blick eines Bürger*innenrechtlers begegnet! Vielen Dank für euren Antrag gegen Hate Speech im Netz!
Vor etwas mehr als einem Jahr, kurz nach Hogesa in Köln, habe ich in Mölln meinen ersten Workshop zum Thema Islamfeindlichkeit gehalten. Der Titel lautete „Pogromstimmung – Islamfeindlichkeit in Deutschland“ und ich hätte nicht glauben können, wie konkret diese Pogromstimmung innerhalb eines Jahres wird.
Es herrscht Pogromstimmung, wenn scharfe Handgranaten in
bewohnte Flüchtlingsunterkünfte geworfen werden.
Es herrscht Pogromstimmung, wenn Nazis in der U-Bahn auf Flüchtlingskinder urinieren.
Es herrscht Pogromstimmung, wenn unbekannte Davidssterne an die Häuser von Jüd*innen in München malen.
Und ich könnte diese Aufzählung noch Minutenlang fortführen.
Für uns Grüne gibt es gegen diese Pogromstimmung nur ein Mittel: Politische Courage!
Wir sind das Feindbild der radikalen Rechten und der rechten Biedermänner. Wir sind die Gutmenschen, tragen die rosaroten Brillen und leben in unserer linksgrün versifften Traumwelt. Wir sind die Homolobby und Bahnhofsklatscher.
Man kann uns denunzieren. Aber man kann uns nicht mundtot machen!
Politische Courage bedeutet, Zivilcourage auch in den Parlamenten zu zeigen. Indem wir Geflüchteten solidarisch begegnen, die sexuelle Vielfalt unserer Gesellschaft berücksichtigen und Mittel für die Aufklärung gegen rechte Brandstifter*innen aufstocken.
Politische Courage bedeutet auch, sich bei Demonstrationen auf die richtige Seite zu stellen. Auf die Seite der Schwachen
und der Vielfalt. Wir lassen keinen Fußbreit den Faschisten, nicht in Boostedt, nicht in Neumünster, nicht in Kiel, nicht in Eggebeck und nicht in Lübeck!
Diese Resolution greift nicht alles auf, was zum Erstarken der Fremdenfeindlichkeit und des rechten Terrors in Deutschland zu sagen wäre. Aber sie ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass es im politischen Spektrum noch eine solidarische Kraft gibt, die nicht wie Sarah Wagenknecht den Sozialstaat nur für Deutsche stärken will.
Wir Grüne bleiben eine antirassistische Partei, die sich auch dann solidarische Politik macht, wenn wir von denen, die von unseren Forderungen profitieren, nicht gewählt werden.
Aus dem einfachen Grund: Weil es richtig ist.
Und ebenso richtig bleibt es, für diese Solidarität unermüdlich zu werben. Wir überlassen den Rassist*innen nicht das Feld!
Denn jede Kerze der Solidarität, die wir unangezündet weglegen, wird von einem geistigen Brandstifter aufgenommen und dazu missbraucht, das Stroh in den Köpfen seiner Gefolgsleute zu entfachen!
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