Mit einiger Verzögerung vollzieht sich auch in der schleswig-holsteinischen Landtagsfraktion der AfD das, was in anderen Bundesländern, der Bundestagsfraktion und in vielen Kommunen bereits begonnen hat: Eine Spaltung.
Etwas überraschend kam der Schritt jetzt allerdings doch, denn er passt nicht zur Begründung.
Die offizielle Version der AfD lautet, dass Doris von Sayn-Wittgenstein für die Fraktion nicht länger tragbar sei, weil sie eine Gruppierung unterstütze, die auf der „Unvereinbarkeitsliste“ der AfD stünde. Die Unvereinbarkeitsliste geht auf einen bundesweiten Beschluss der AfD zurück und listet Gruppen auf, mit der die AfD und ihre Mitglieder nicht zusammenarbeiten dürften. Darunter auch der rechtsextreme Verein Gedächtnisstätte, den Frau von Sayn-Wittgenstein nach Welt-Recherchen zufolge unterstützt. In der Fraktion bestätige sie diese Unterstützung offenbar. Für die Kollegen der Fürstin sei das nun der Anlass, sie aus der Fraktion auszuschließen.
Entweder ist das Argument vorgeschoben, oder die Erkenntnis reichlich spät. Denn die Unvereinbarkeitsliste ist ein beliebtes Feigenblatt der Pseudoabgrenzung der AfD nach Rechts. Wenn die öffentliche Debatte zu heikel wird, ist sie Grundlage für ergebnislose Ausschlussverfahren. Im Fall von Sayn-Wittgenstein ist das nun anders, wie kommt das?
Nachdem es massive interne Streitigkeiten gab und erste Verbindungen der Fürstin zu rechtsradikalen Kreisen bekannt wurden, legte sie alle fachpolitischen Zuständigkeiten nieder und nahm fortan auch an Fraktionssitzungen nicht mehr teil. Mitglied der Fraktion blieb sie dennoch. Die Mehrbelastung für den Rest der Fraktion löst in mir kein Mitleid aus,dass dieses Vorgehen so allerdings akzeptiert wurde, wunderte mich schon. Ein Grund mag der Wunsch sein, nach Außen geschlossen zu wirken, ein anderer, dass der Verlust einer Person die jährlichen finanziellen Zuwendungen an die Fraktion verringert. Dazu kommt allerdings auch, dass Doris von Sayn-Wittgenstein seit 2017 Parteivorsitzende der AfD Schleswig-Holstein ist, ein Amt, das sie in einer Abstimmung gegen den Fraktionsvorsitzenden Jörg Nobis gewann.
Der Hauptgrund, warum mich die Erzählung um die Unvereinbarkeitsliste als Begründung nicht überzeugt, ist allerdings, dass Doris von Sayn-Wittgenstein nicht das erste Mal diese Regel brach. Zuletzt einen Tag vor dem besagten Welt-Artikel, als sie zur ein Sharepic teilte, in dem sie gemeinsam mit PEGIDA zu einer rechtsradikalen Demonstration in Berlin aufrief. Auch PEGIDA steht auf der Unvereinbarkeitsliste.
Als Doris von Sayn-Wittgenstein noch die Neonazi-Aufmärsche in Chemnitz als „Patrioten“ lobte, womit eindeutig auch PEGIDA, Pro Chemnitz und Co gemeint waren, erhielt sie ausschließlich Unterstützung aus der Fraktion. Auch in einer Debatte im Landtag dazu stellte sich Jörg Nobis als Fraktionsvorsitzende vor die Fürstin.
Der jetzt vollzogene Ausschluss der Landesvorsitzenden aus der Fraktion wird noch einige Diskussionen in der AfD zur Folge haben. Bundesweit genießt Frau von Sayn-Wittgenstein viel Unterstützung, wie zuletzt der Bundesparteitag zeigte, auf dem ihr zur Wahl als Bundesvorsitzende lediglich eine Stimme fehlte. Hier galt sie eindeutig als Kandidatin des Höcke-Flügels.
Die Spaltung der Fraktion führt nicht zu einer anderen Bewertung der Fraktion. Frau von Sayn-Wittgenstein war in der Fraktion stets unter Gleichgesinnten, politische Differenzen spielten offenbar bislang kaum eine Rolle. Es geht nicht darum, ob einzelne Personen der AfD den Rücken kehren, die Partei ist eine im Kern menschenfeindliche Partei. Wenn man diesen Kern entfernt, bleibt von ihr nur noch ein inhaltsleeres Sammelsurium übrig.
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